Das Verständlichkeitsmodel von Susanne Göpferich umfasst sechs Dimensionen und beinhaltet zudem Aspekte der Kommunikativen Textfunktion und der sogenannten Textproduktions- Eckdaten. Zu diesen Rahmenbedingungen muss jede ihrer Dimensionen immer in Bezug gesetzt werden. Denn ein Text kann, so die Autorin, immer nur auf seine Verständlichkeit hin beurteilt werden, wenn er in Relation zu bestimmten Bedingungen betrachtet wird. Wer seinen Text noch in der Planung hat und sichergehen will, dass er verstanden wird, tut sich und seinen Lesern mit ein wenig Vorarbeit einen großen Gefallen.

Komplexe Themen verständlich vermittelt: Das Karlsruher Modell bringt Ordnung in Ihre Texte.

Die Kommunikative Textfunktion bezieht sich auf:

  • Den Zweck
  • Den oder die Adressaten
  • Den oder die Sender

Die Textproduktions-Eckdaten umfassen:

  • Das mentale Konventionsmodell (die Vertrautheit mit der jeweiligen Textsorte)
  • Das mentale Denotatsmodell (das geistige Modell der Gegenstände und Sachverhalte, die im Text dargestellt werden)
  • Das Medium, in dem der Text vermittelt wird
  • Juristische und redaktionelle Richtlinien

Sechs Dimensionen für mehr Verständlichkeit

Prägnanz:
Diese Dimension erlaubt nach Susanne Göpferich die Bewertung, ob ein Text die ökonomischste Gestalt für seinen Zweck hat und ob die Darstellung der Inhalte mit dem geringstmöglichen Zeichenaufwand umgesetzt wurde.

Korrektheit:
Untersuchungen in der Dimension Korrektheit lassen Rückschlüsse darauf zu, ob das mentale Denotatsmodell korrekt umgesetzt wurde. Ob also der Schreiber das mentale Modell des Sachverhaltes fehlerfrei dargestellt hat. Andererseits können aber auch Fehler im Text selbst für Verständlichkeitsprobleme verantwortlich sein. Deshalb werden auch diese „Kodierungsfehler“ in ihrem Modell erstmals mitberücksichtigt.

Motivation:
In dieser Dimension kann untersucht werden, ob ein Text aus sich selbst heraus Lesemotivation erschafft. Auf der anderen Seite lässt sich prüfen, ob er diese über den ganzen Text auch aufrechterhalten kann.

Struktur:
Diese Dimension beinhaltet in Göpferichs Modell ausschließlich Merkmale der inneren Struktur. Im Bereich der Mikroebenenstruktur lassen sich Verständlichkeitsmerkmale ermitteln, die innerhalb der Grenzen von zwei Sätzen liegen. Damit meint sie zum Beispiel die logische Verknüpfung von zwei Sätzen durch Konjunktionen oder die korrekte Aneinanderreihung von Informationen innerhalb eines Satzes. Auf der Makroebenenstruktur können verständlichkeitsrelevante Merkmale ermittelt werden, die über zwei Sätze hinausgehen. Hier erfolgt die logische Darstellung der Gegenstände und Sachverhalte.

Simplizität:
Diese Dimension ist im Gegensatz zu allen vorherigen ausschließlich auf die Kodierung eines Textes zu beziehen. Verständlichkeitsrelevante Verstöße können hier untersucht werden auf der lexikalischen, auf der grammatischen und auf der illokutionären Ebene. Außerdem auch in Bezug auf die Präzision der gewählten Begriffe und Konstruktionen sowie auf die Konsistenz in Lexik und Syntax.

Perzipierbarkeit:
In dieser Dimension werden Merkmale erfasst, die ausschließlich die äußere Struktur eines Textes betreffen. Nach Göpferich lässt sich mit ihr bestimmen, wie leicht oder schwer die Informationen aus einem Text über die Sinnesorgane aufgenommen werden können. Die grafische Aufbereitung ist hier zentral.

Die Wichtigkeit des Bezugsrahmens

Die folgenden drei Beispiele machen deutlich, welche Probleme entstehen können, wenn die Dimensionen nicht in Relation zur Textfunktion und zu den Textproduktions-Eckdaten gesetzt werden.

Beispiel 1: Adressat nicht berücksichtigt

Schreiben Sie einen Fachartikel über Raketenwissenschaft, der sich an die Raketenwissenschafts-Fachkollegen wendet, wird die Community ihn leicht verstehen. Schreiben Sie den gleichen Artikel, mit den gleichen Worten für ein Laien-Publikum, wird der Anteil der Leser, die ihn verstehen, gen Null gehen.

Grund: Die Verständlichkeit lässt sich nur mit Blick auf die Zielgruppe beurteilen. Für die eine Zielgruppe sind Fachwörter angebracht, eine andere braucht einfachere Wörter oder weitere Erläuterungen, um den Text zu verstehen.

Beispiel 2: Medium falsch gewählt

Schreiben Sie einen Fachartikel über Raketenwissenschaft und platzieren ihn in einem Fach-Journal wird er von der Zielgruppe verstanden werden. Schreiben Sie über die gleichen wissenschaftlichen Erkenntnisse und wählen als Medium ein Comic-Heft, wird das bei Ihren Lesern für Fragezeichen sorgen – und zwar auf allen Fachniveaus.

Grund: Das Medium löst Irritationen aus, die sich auf die Verständlichkeit auswirken. Zudem werden sich hochkomplexe Sachverhalte nicht in jedem Medium angemessen darstellen lassen.

Beispiel 3: Verstöße im Bereich Korrektheit

Sie schreiben eine PR-Mitteilung über ein höchst komplexes Produkt, dessen Funktionsweise Sie nicht richtig verstanden haben. Denkbar ist auch ein Sachverhalt, der extrem verworren ist und den Sie nicht in allen Details erfasst haben. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Ihre Leser nach dem Lesen Ihres Textes ebenso wenig wissen, worum es geht.

Grund: Das mentale Denotatsmodell ist nicht korrekt. Das heißt, die Vorstellung, die Sie von dem Produkt oder Sachverhalt haben, ist falsch. Deshalb ist die fehlerfreie Vermittlung der Informationen an Ihre Zielgruppe schwierig.

Wissen ist Trumpf – Wie sich Schwerverständlichkeit reduzieren lässt

Am häufigsten begegnen mir Verstöße in den folgenden Bereichen. Die meisten sind zurückzuführen auf eine Fehleinschätzung der eigenen bzw. der Fachlichkeit der Adressaten.

Korrektheit:
Die deutsche Rechtschreibung hält so manchen Stein bereit, über den man beim Verfassen von Texten stolpern kann. Dennoch begegnen mir Rechtschreib- und Grammatikfehler verhältnismäßig selten. Schon gar nicht in einem Ausmaß, das die Verständlichkeit beeinträchtigt. Viel häufiger sind es die zu beschreibenden Sachverhalte selbst, die den Verfassern Kopfzerbrechen bereiten. Gerade wenn es um hochkomplexe Produkte, Dienstleistungen und Sachverhalte geht, fehlen oft die richtigen Worte.

Simplizität:
Ob Behörde, IT- oder Maschinenbau-Unternehmen, Pharmakonzern oder Audio-Spezialist: Schreiber mit einem fachlichen Hintergrund schreiben (Überraschung!) fachlich! Das bemerken sie selbst oft gar nicht. Und das ist auch gar nicht problematisch – vorausgesetzt, die Zielgruppe hat denselben fachlichen Background. Falls nicht, sollten Sie dringend herausfinden, wie Sie Ihre Zielgruppe am besten ansprechen.

Zweck:
Wenn Sie nicht wissen, wo Sie ankommen wollen, wird Ihnen schon der Weg Schwierigkeiten bereiten. Wahrscheinlich ist außerdem, dass Sie sich das ein oder andere Mal verlaufen, bis Sie am Ziel sind. Soll Ihr Text Leser informieren, überzeugen oder sie zu einer Handlung bewegen? Dann richten Sie Ihren Text danach aus! Jeder Text muss auch in Bezug auf seinen Zweck klar und unmissverständlich sein.

Zielgruppenbestimmung: Kennen Sie Ihre Leser?

Auf Nachfrage sind sich die meisten Unternehmen und Behörden sicher, dass ihre Texte von der Zielgruppe gut verstanden werden. Oft stellt sich dann heraus, dass diese Sicherheit auf einer Annahme beruht. Das Problem: Fast immer setzen Schreiber bei Ihren Lesern eine höhere Fachlichkeit voraus, als gegeben ist. Das gilt im Übrigen auch für B2B-Unternehmen. Wer aufhört zu raten und anfängt zu fragen, wird einiges gewinnen.

Fazit:

Verständlichkeit ist nach Susanne Göpferich kein feststehendes Konstrukt, wie es von den Vorgängermodellen impliziert wird. Sie kann immer nur beurteilt werden, wenn man vorher prüft, für wen ein Text aus welchen Gründen verständlich sein soll. Der von ihr entwickelte Karlsruher Ansatz berücksichtigt deshalb neben sechs Verständlichkeitsdimensionen die Textproduktions-Eckdaten und die Kommunikative Funktion eines Textes. Damit ist das Modell zwar komplexer, ermöglicht aber eine deutlich bessere Anpassung der Verständlichkeit von Texten an die jeweilige Zielgruppe. Auf diese Weise lassen sich auch hochkomplexe IT-Produktbeschreibungen, Bedienungs- und Aufbauanleitungen, Technikbroschüren, Bauprojekte und Co. verständlich und auf dem passenden sprachlichen Niveau verfassen.

Bild von Akhil Kokani auf Pixabay