Anleitend, praktisch gut: Instruktionspsychologische Ansätze sollen Verfassern dabei helfen, verständliche Texte zu schreiben – und zwar mit ganz konkreten Anweisungen. Außerdem soll mit ihnen herausgefunden werden, was einen gut beziehungsweise einen schlecht verständlichen Text ausmacht. Damit erfolgt die Abkehr von rein theoretischen Modellen, und die Hinwendung zu solchen, die uns beim Texten wirklich weiterhelfen. Denn bei diesen Forschungsansätzen ist der Name Programm.

Instruktionspsychologische Ansätze lieferten erstmals konkrete Anweisungen zur Verbesserung von Textverständlichkeit.

Vor allem zwei Modelle der Instruktionspsychologie sind interessant – das Hamburger Verständlichkeitskonzept und das Verständlichkeitskonstrukt von Norbert Groeben. So bedeutend beide sind, zu echtem Ruhm hat es nur das Hamburger Modell geschafft. Dennoch sind beide später, ebenso wie die kognitionswissenschaftlichen Ansätze, in das meiner Meinung nach brauchbarste Verständlichkeitsmodell eingeflossen: das Karlsruher Verständlichkeitskonzept von Susanne Göpferich.

Das Hamburger Verständlichkeitsmodell – Der empirisch-induktive Ansatz

Das Hamburger Verständlichkeitsmodell geht auf die Autoren Langer, Schulz von Thun und Tausch zurück. Bis heute ist es ein Dauerbrenner: Seit der Entstehung Anfang der 1970er Jahre hat es immer wieder kleine Modifizierungen gegeben. Inzwischen ist das dazugehörige Buch „Sich verständlich ausdrücken“ in der elften Auflage erhältlich. Als Anlass für die Entwicklung des Modells nennen die Autoren eigene Erfahrungen, die sie im Laufe ihres Lebens mit den verschiedensten Texten gemacht haben. Als einen weiteren Grund geben sie an, dass jeder Bürger sich im Laufe seines Lebens zwangsläufig immer wieder mit Texten auseinandersetzen müsse. Schlecht verständliche Texte führen ihrer Meinung nach zu Benachteiligungen. Denn nur jemand, der ausreichend informiert würde, könne seine Rechte auch wahrnehmen.

Vier Dimensionen für ein Verständlichkeits-Halleluja

Für ihr Modell wählte die Forschergruppe zunächst Eigenschaften aus, mit denen aus ihrer Sicht Qualitätsmerkmale von Texten beurteilt werden können. Basierend auf diesen Merkmalen ließen sie zuvor speziell trainierte Personen verschiedene Texte beurteilen. Anschließend wurden mögliche Korrelationen der Ergebnisse dieser sogenannten „Expertenratings“ ermittelt. Anhand von Gemeinsamkeiten in den Ergebnissen entwickelten die Autoren dann übergeordnete Kategorien: ihre vier Verständlichkeitsdimensionen. Sie sollen Auskunft darüber geben, wie verständlich oder unverständlich ein Text ist. Die Beurteilung der Verständlichkeit erfolgt dabei auf einer fünfstufigen Skala. Besonders praktisch: Anwendungshinweise zur Verbesserung liefern die Autoren gleich mit.

Die Dimensionen des Hamburger Modells:

  • Einfachheit
  • Gliederung/Ordnung
  • Kürze/Prägnanz
  • Anregende Zusätze

Die Dimension Einfachheit, die die Wortwahl und den Satzbau beinhaltet, halten die Autoren dabei am relevantesten für die Verständlichkeit eines Textes, gefolgt von den Dimensionen Gliederung/Ordnung, Kürze/Prägnanz und Anregende Zusätze. Eine Begründung für diese Gewichtung geben die Autoren allerdings nicht an.

Die Aussagekraft des Modells ist in den Folgejahren oft angezweifelt worden. Es sei zu einfach, stellenweise willkürlich und berücksichtige Zweck und Adressaten nicht. Einer dieser Kritikpunkte jedoch hat ihm gleichzeitig zu seiner bis heute ungebrochenen Popularität verholfen: Zahlreiche Trainings zur Verbesserung von Verständlichkeit setzen auf das Hamburger Konzept – eben WEIL es so einfach zu verstehen und umzusetzen ist.

Das Verständlichkeitskonzept von Groeben – Der theoretisch deduktive Ansatz

Groeben entwickelte sein Verständlichkeitskonstrukt im Jahr 1982. Anders als die Hamburger Autoren wählt er aber einen anderen Ansatz für seine Modellentwicklung. Er leitet die Merkmale, die er für verständlichkeitsrelevant hält, aus diversen Theorien ab. Seine Dimensionen und die dazugehörigen Merkmale stammen aus der Sprachpsychologie, kognitiven Lerntheorie und Motivationspsychologie. Trotz dieses anderen Weges kommt er zu annähernd den gleichen Ergebnissen wie die Hamburger Forschergruppe. Er selbst geht deshalb davon aus, dass es sich bei den vier Dimensionen des Verständlichkeitskonstrukts „um die relevantesten und relativ umfassenden Merkmalsbereiche der Textstruktur handelt“. Die Bezeichnungen seiner Dimensionen wählt er dann auch in Anlehnung an das Hamburger Verständlichkeitsmodell.

Die vier Dimensionen von Groeben:

  • Sprachliche Einfachheit (bei den Hamburgern Einfachheit)
  • Kognitive Gliederung (Gliederung/Ordnung)
  • Semantische Kürze/Redundanz (Kürze/Prägnanz)
  • Motivationale Stimulanz (anregende Zusätze)

Groeben hält allerdings im Gegensatz zu Langer, Schulz von Thun und Tausch die Dimension der kognitiven Gliederung am wichtigsten für die Verständlichkeit eines Textes. Er begründet dies mit den Ergebnissen aus der Lesbarkeitsforschung, die schon lange eine stärkere Berücksichtigung der inhaltlich kognitiven Aspekte forderten. Zudem widerspricht er der These der Hamburger Kollegen, dass maximale Verständlichkeit auch zu maximaler Merkfähigkeit führt. Er geht vielmehr davon aus, dass „mittlere Verständlichkeitsgrade“ sich am optimalsten auf Behaltensleistung und Neugiererzeugung auswirken.

Fazit:

Beide Modelle, so wichtig sie bis heute sind, haben Schwächen. Sie berücksichtigen wichtige Faktoren nicht, die sich auf die Verständlichkeit auswirken: den Zweck des Textes und noch wichtiger, seine Adressaten. Damit wird Verständlichkeit zu einem beliebigen Faktor, dem der Bezugsrahmen fehlt. Dennoch: Die instruktionspsychologischen Ansätze liefern gute Grundlagen für die Modelle der Folgejahre. Zudem wurde vor allem das Hamburger Modell immer wieder nachgebessert und hilft ungeübten Schreibern seit nun fast fünfzig Jahre dabei, Ihre Texte ansprechend und verständlich zu gestalten.

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